„Der OP ist ein magischer Ort“ - Chefarzt Dr. Sellei im Interview
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Die Tage sind lang am Sana-Klinikum Offenbach, einer der größten Kliniken der Rhein-Main-Region. Morgens in der Früh beginnen Chefarzt Prof. Dr. Richard Sellei und sein Team mit einer gemeinsamen Runde und besprechen die Fälle aus der Nacht und den Plan für den Tag. Gegen 8 Uhr steht Sellei, Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie und Sportmedizin, dann im OP, versorgt Verletzungen, kuriert Erkrankungen. Insbesondere bei Glatteis oder in Monaten, wenn sich Sportunfälle häufen, landen rund um die Uhr Patienten auf dem OP-Tisch. Bis zu zehn Operationen in der Woche stehen mitunter für ihn selbst an.
Wer sich die Expertise des erfahrenen Chefarztes sichern möchte, schließt mit dem Krankenhaus eine wahlärztliche Vereinbarung ab. Die Kosten für diese Chefarztbehandlung sind bei entsprechender Tarifwahl über den privaten Krankenversicherungsschutz gedeckt. Auch gesetzlich Versicherte können die Leistung über eine Zusatzversicherung finanzieren.
Im Interview spricht Prof. Sellei über die Rolle des Chefarztes und Empathie im Klinikalltag.
Herr Prof. Sellei, Sie sind mittlerweile seit mehr als zehn Jahren als Chefarzt am Sana-Klinikum tätig. Wie sah Ihr Weg dorthin aus?
Meine wichtigen Jahre habe ich an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen verbracht. In der Ausbildung zum Facharzt an der Universitätsklinik bei Prof. Dr. Pape habe ich breite Erfahrungen in der Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie gesammelt. Was ich dort bereits erlebt habe, die Erfahrungen auf meinem Weg zum Oberarzt, haben mich vorbereitet auf die Tätigkeit als Chefarzt.
Was war das genau?
Das war zum einen das Handwerk mit komplexen Verletzungen. Zum anderen die Erkenntnis, dass ich eigene Stärken nur entfalten kann, wenn ich die Menschen um mich herum, das Team und alle Beteiligten, mitnehme auf diesem Weg. Diese Erfahrungen konnte ich nach Offenbach mitbringen.
Welches sind die besonderen Kompetenzen, die zur Tätigkeit als Chefärztin und Chefarzt qualifizieren?
Die fachlichen Fähigkeiten sind unabdingbar. Genauso gehören aber Kommunikation und Empathie zu den wichtigen Voraussetzungen. Im OP haben wir unsere Standards, unsere Abläufe und Qualitätskriterien. Dennoch bin ich überzeugt, dass Empathie zu den wichtigsten Qualifikationen für die Rolle leitender Ärzte zählt – im Kontakt mit Patienten und genauso im Umgang mit dem Team.
Können Sie das erläutern?
Wenn unerwartete Ereignisse eintreten, müssen wir schnell reagieren und hoch konzentriert sein. Das heißt, der OP ist auch ein Ort, wo wir sehr angespannt sind. Das kostet Kraft. Wenn es dann zur Hautnaht kommt und die Operation gelungen ist, bedankt man sich bei dem Team. Dieses Wir-Gefühl, gemeinsam etwas geleistet zu haben, bringt viel Freude und Energie.
War das der Grund, warum Sie Chefarzt werden wollten?
Wir Chirurgen sind sehr, sehr gerne im Operationssaal. Der OP ist ein magischer Ort für uns. Und wir wissen, dass wir Gutes bewirken können. Bei mir war das aber eher ein schleichender Prozess. Ich bin nicht an die Uniklinik gegangen, um einmal Chefarzt zu werden. Ich wollte gute Medizin lernen. Dabei habe ich gemerkt, dass der Umgang mit akut traumatisierten Patienten, die eine schnelle und verantwortungsbewusste Reaktion erfordern, Führung und Verantwortung verlangen. Das hat mich sehr gereizt.
Wer Chefärztin oder Chefarzt werden will, sollte also mehr beherrschen als medizinische Techniken. War das schon immer so?
Traditionell war der Weg zum Chefarzt in der chirurgischen Medizin stark durch hierarchische Strukturen geprägt. Heute ist hier jedoch ein Wandel zu erkennen: Kommunikation, Empathie und Respekt sind zunehmend wesentliche Elemente in der Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte. Denn eine offene Kommunikationskultur und die ehrliche Bereitschaft zur Selbstkritik sind entscheidend, nicht nur, um angehende Fachärzte zu motivieren und zu unterstützen. Die Fähigkeit zur Empathie ist auch im Umgang mit Patientinnen und Patienten enorm wichtig. Schließlich muss ich sie für meine empfohlene Diagnostik und Therapie gewinnen.
Zurück zu Ihnen: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Der Arbeitsalltag als Chefarzt ist eine Mischung aus operativer Tätigkeit und organisatorischen Aufgaben. Der Schwerpunkt liegt im Operationssaal, außerhalb des OPs kümmere ich mich ebenfalls um die direkte Patientenversorgung. Neben operativen Eingriffen sind das die Vorsorge und Nachsorge. Vorgespräche und Visite sind auch Chefsache.
Zudem habe ich die Führung und Organisation des Teams im Blick. Als Chefarzt verantworte ich die Weiterbildung der Kolleginnen und Kollegen, außerdem die Weiterentwicklung der Klinikstrukturen sowie der Kommunikation und Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen. Insgesamt überwiegt aber der Patientenkontakt als klinische Tätigkeit.
Welche Veränderungen beobachten Sie in den zurückliegenden Jahren?
Der technische Fortschritt und veränderte Patientenbedürfnisse haben die Art und Weise, wie medizinische Dienstleistungen erbracht werden, stark beeinflusst – und tun das auch weiterhin.
Das heißt?
Die Medizin hat in den letzten Jahrzehnten enorme technologische Entwicklungen durchgemacht. Die Weiterentwicklung von Maschinen und Robotern hat die chirurgische Praxis verändert, künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend als Unterstützung bei Entscheidungen genutzt. Diese technischen Innovationen ermöglichen eine genauere Diagnostik und Therapie.
Wie zeigt sich das in der Praxis bei den Eingriffen?
Die Komplexität der Eingriffe hat deutlich zugenommen. Durch die Weiterentwicklung der Medizintechnik sind bestimmte Verfahren schneller und präziser geworden. Insbesondere im Bereich der Chirurgie des Bewegungsapparates hat der technologische Fortschritt zu besseren Ergebnissen geführt, sowohl in der operativen Durchführung als auch in der Nachsorge.
Und wie steht es um die Patientinnen und Patienten?
Der Umgang mit Patientinnen und Patienten hat sich ebenfalls verändert. Die Anforderungen an Ärzte, sowohl in der fachlichen als auch in der zwischenmenschlichen Kompetenz, haben sich verschärft. Patienten sind heute oft besser informiert und erwarten mehr Mitspracherecht bei ihrer Behandlung. Dies erfordert jedoch von den Ärzten ein höheres Maß an empathischer Führung und Verantwortung.